Die Wirren unter der Gleichschaltung und des 2. Weltkrieges
Am 31. Januar 1933 ernannte der Reichspräsident der Weimarer Republik, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Adolf Hitler zum neuen Reichskanzler, was seine Partei, die NSDAP, als sogenannte "Machtergreifung" feierte. Wie allgemein bekannt, änderte Hitler schnell den gesamten Staat nach seinen Ideen um und führte mit Hilfe der Gleichschaltung in staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen das Führerprinzip ein. Dieses drang auch bis in die Schützenvereine vor.
Am 21. Januar 1934 wurden die Vorstände von 33 Vereinen, darunter unserer, in das Kolpinghaus zu Jülich geladen, um die neuen Regelungen des Vereinswesen im Deutschen Reich entgegenzunehmen. Erster und einschneidenster Punkt war wohl die Auflösung des herkömmlichen Vorstandes und das Verbot jeglicher Wahlen innerhalb des Vereins. Die ganzen üblichen Wahlen wurden einfach in ein Vorschlagsrecht umgeändert. Danach durfte der Verein einen Vereinsführer, so hieß der erste Brudermeister zu dieser Zeit, vorschlagen, der jedoch von höherer Stelle bestätigt werden mußte, bevor er sein Amt übernehmen durfte. Dieser bestimmte nach seinem eigenen Ermessen den restlichen Vorstand, den sogenannten Beirat. Durch diese Regelung konnte der Staat also direkt mitbestimmen, wer an der Spitze eines Vereins stand und ggf. auch sofort eingreifen, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen verlief. Der Kontrolle aber nicht genug. Jeder Verein bekam die Auflage, entweder dem deutschen Schützenbund oder der Erzbruderschaft des heiligen Sebastianus beizutreten. Sofern dies nicht geschah, hätte das die sofortige Auflösung des entsprechenden Vereins nach sich gezogen. Unsere Gilde trat daher nach Versammlungsbeschluß vom 27. Januar 1934 der Erzbruderschaft bei, deren oberster Führer der Fürst zu Salm-Reiferscheidt-Krautheim und Dyck war, und nicht etwa ein Pfarrer als geistlicher Präses, dem lediglich ein Sitz im Beirat zugewiesen wurde. Dem Fürsten unterstanden die Diözesanführer und die Dekanatsführer, wobei erwähnt sei, daß damals das Dekanat Jülich mit denen von Aldenhoven und Hasselsweiler zusammengeschlossen wurde. Danach erst kam die Verantwortlichkeit der einzelnen Vereinsführer.
Der Ideologie des
nationalsozialistischen Staates besaß das Ganze jedoch noch zuviel von einem
religiösen Charakter, woraufhin die Erzbruderschaft des heiligen Sebastianus
kurzerhand aufgelöst wurde und wir am 17. Mai 1936 zwangsweise in den deutschen
Schützenbund übertreten mußten. Dieser war Teil des deutschen
Schießsportverbandes, zu dem noch der Jagdschießverband und der
Kleinkaliberschießverband gehörten. Diese unterstanden alle dem
Reichssportkommissar Hans von Tschammer und Osten, der bereits am 14. Juli 1933
von Hitler beauftragt wurde, alle Sportvereine gleichzuschalten, zu denen wir
als Schützen auch zählten. Im Sinne des Führerprinzips gab es jedoch unter
ihm noch mehrere Instanzen, so daß wir direkt dem Kreisbundesmeister Herrn
Tischler unterstellt waren. An ihn hatten wir unverzüglich weiterzuleiten den
Namen unseres Vereins, die genaue Mitgliederzahl, den momentanen Vorstand mit
Angabe des Dienstgrades, das Gründungsjahr sowie das alljährliche Datum
unseres Stiftungsfestes. Beim Anblick dieses bürokratischen Urwaldes könnte
man verzweifeln. Doch hat sich bei uns nach außen hin nichts Auffälliges
geändert, sieht man von dem Hakenkreuzwimpel ab, der von jedem Verein an seiner
Fahne angebracht werden mußte.
Überhaupt kam unsere Gilde so gut wie gar nicht
in Kontakt mit der Partei im Gegensatz zu manch anderer Gruppe, wie zum Beispiel
der Altenburger Maigesellschaft, der man zweimal versucht hat den Maibaum zu
kappen, wovon ein Versuch auch geglückt ist, weil auf diesem keine
Hakenkreuzfahne wehte, sondern lediglich eine hölzerne Nachbildung an der Mitte
des Stammes angebraucht war.
Bild oben rechts: Reichssportkommissar Hans v. Tschammer und Osten
Einschneidende Veränderungen brachte erst der 2. Weltkrieg mit sich. Die ersten Vereinskameraden wechselten ihre Uniform und zogen in fremdes Land, was bei uns natürlich Lücken aufriß. Deshalb wurde auch auf einer Vorstandsversammlung vom 6. Juni 1940 beschlossen, ohne diese Kameraden kein Stiftungsfest zu halten. 1941 kam dann der endgültige Beschluß, bis zum Erliegen der Kämpfe gar kein Fest mehr zu feiern, sondern nur noch ein monatliches Preisschießen zu veranstalten, mit dessen Erlös Weihnachtspäckchen für die befreundeten Frontsoldaten ermöglicht werden sollten. Aber auch den jüngeren Mitgliedern der Gilde sollte dieses Schießen dienlich sein, die so nach dem Motto "Üb´ Aug´ und Hand für´s Vaterland!" am Gewehr geübt wurden. Die letzte Versammlung in Kriegszeiten fand schließlich am 23. April 1941 statt und danach blieb unserem Vereinsführer nur noch, das zwanzigjährige Jubiläum unserer Gilde ganz im Stillen mit einigen Worten in unserem Vereinsbuch zu verewigen:
1921 - 1941
Mitten im Kriege, im Kampfe um Deutschlands Größe und Freiheit, kann
unser Verein auf sein zwanzigjähriges Bestehen zurückblicken. Viel Arbeit ist
in dieser Zeit geleistet worden. Aber gerade durch diese Arbeit und die
Einigkeit und die Kameradschaft, haben wir auch viele fröhliche Stunden und
Tage erlebt. Ich erinnere an unsere schönen Stiftungsfeste, an der Alt und Jung
teilnahmen. Wo bis zum frühen Morgen die Fröhlichkeit herrschte. Ich erinnere
an die siebzehn Schützenkönige, die mit majestätischem Stolz ihres Amtes als
Schützenkönig ein ganzes Jahr herrschten, bis sie von einem neuen Könige
abgelöst wurden. Ich erinnere an die Besuche anderer befreundeter Vereine und
ihrer Feste. Wie mancher Preis und wie mancher Vogel ist dann von unseren
Schützen zur Strecke gebraucht worden. Die meisten dieser Teilnehmer zogen wohl
vor einbrechender Dunkelheit mit ihrer Fahne nach Hause, aber auch manch einer
ist erst am nächsten Morgen in nicht ganz natürlichem Zustande in seinem
Heimathafen gelandet. Aber dieser ist ja ein natürlicher Vorgang. Ein Sieg muß
gefeiert werden. Dann muß ich noch erwähnen, daß wir auch dem Schutzpatron
unserer Gilde jedes Jahr gedacht haben, Sankt Hubertus. An diesem Jahrestage
kommen alle Mitglieder in unserem Vereinslokale in einer Generalversammlung
zusammen. Es war dann zunächst Kassen- und Berichtslage. Nachdem dieses nach
voller Zufriedenheit aller Mitglieder geschehen war, und jeder sich sonst noch
alles vom Herzen geredet, ging man zum gemütlichen Teil über. Wie dieser im
manchem Jahr ausfiel, kann sich wohl jeder Teilnehmer heute noch gut vorstellen.
Aber man darf sich dieser fröhlichen Stunden nicht restlos hingeben, ohne deren
zu gedenken, die damals mit dabei waren, und die Freud und Leid mit uns geteilt
haben. Sie sind durch den Tod von unserer aktiven Liste gestrichen worden, aber
wir haben sie hingetragen in unsere Liste des ewigen Andenkens, als echte, gute,
treue und liebe Kameraden. Es sind in diesen zwanzig Jahren folgende Mitglieder
in die Ewigkeit abberufen worden:
1. Coenen
2. Krauthausen Bernhard
3. Schmitz Gerhard
4. Bau Franz
5. Frey Bernhard
6. Triller Fritz
7. Schmitz Nikolaus
8. Stahs Johann
9. Muckel Josef
10. Rosenbaum Heinrich
Trotz diesen schmerzlichen Verlusten wollen wir weiter arbeiten an unserer guten
Sache, am Blühen und Gedeihen unseres Vereins.
der Führer
Reinartz
Diese Worte waren die letzten, die während der Zeit des
großdeutschen Traumes niedergeschrieben wurden. Die Front rückte immer näher
und auch bei Altenburg errichteten die Alliierten an der Rur einen Brückenkopf.
Zu dieser Zeit, im November 1944, verließen die letzten Altenburger ihre Heimat
und nahmen nur das Nötigste mit, um wenigstens ihr Leben zu retten. Zurück
ließen sie das Dorf- und Vereinsleben, wovon sie glaubten, daß diese zwei
weitere Opfer des schrecklichsten Krieges, den die Menschheit je erlebt hat,
geworden wären. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt daran gedacht, daß alles wieder
so werden würde, als hätte es nie einen Krieg gegeben?
(Text: Thomas Schmidt, 1996)